30. Mai 2024. Eine Woche nach Beendigung der Besetzung des SoWi-Institutes, die Besetzer*innen nennen es „Jabalia Institute“, veranstaltet die „Student Coalition Berlin“ eine Pressekonferenz in der lichtdurchfluteten „Spore Initiative“, Neukölln. Der Veranstaltungsort ähnelt einem Hörsaal, Pflanzen und Holzoptik geben dem Raum einen hipsteresque Touch. Auf dem Podium sitzen drei der Besetzer*innen, die an verschiedenen Berliner Universitäten studieren sowie ein Anwalt, der ebenfalls bei der Besetzung anwesend war. Hinter ihnen prangt ein Banner in den Farben Palästinas, zwischen zwei handgemalten Friedenstauben steht: „Decolonisation is not a metaphor“. Eine weitere Person, die während der Besetzung als Sanitäterin vor Ort war, wird eine Videobotschaft hinterlassen, heißt es. Laut Redner*innen sind auch drei Journalisten zur Konferenz eingeladen worden, unter ihnen der von einem Polizisten während der Räumung verletzte Ignacio Rosaslanda. Alle drei hätten jedoch kurzfristig abgesagt, was „viel über die Pressefreiheit in Deutschland” aussage. Im Publikum sitzen etwa 20 Pressevertreter*innen verschiedener Medien, die anschließend Fragen stellen dürfen. Unter der Bedingung, dass diese nicht „rassistisch“ oder „antisemitisch“ seien.

Alle Redner*innen kritisieren insbesondere die vorschnelle Räumung des Institutes und die in deren Zuge angewandte massive Polizeigewalt. Die zugeschaltete Sanitäterin, Medizinstudentin an der Charitè, sei in ihrer Arbeit massiv eingeschränkt und behindert worden und bezeichnet die Handlung der Polizei als „unverhältnismäßig gewaltvoll“.  Als ein Beispiel nennt sie eine Person, die bei der Verhaftung ohnmächtig geworden sei und trotzdem weiterhin Handschellen anbehalten habe müssen. Ebenso seien Schmerzgriffe und das gleichzeitige Drücken auf Nase und Mund angewandt worden, was sie als maßlos übertrieben und gesundheitsgefährdend empfinde. Vor Ort anwesende Pressepersonen sowie eben auch Sanitäter*innen, die beide klar als solche zu erkennen waren, seien im Zuge der Räumung mitunter noch vor den Aktivist*innen verhaftet worden, was in dem Fall einer unterlassenen Hilfeleistung gleiche.

Der anwesende Anwalt sieht das im Grundgesetz verankerte Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt, da die Polizei „den Dialog sprengte“ und verfrüht eingetreten sei. Die „Exekutive“ „definiere zunehmend, was gesagt werden darf und was nicht“ und handle „im Zweifel gegen die Meinungsfreiheit“.

Deutsche Universitäten dürften nicht länger „Instrumente staatlicher Kontrolle“ sein, sagt eine palästinensische TU-Studentin auf dem Podium. Sie fordert den Rücktritt des Berliner Bürgermeisters Kai Wegner. An deutsche Unis wird appelliert: Es sollten endlich Maßnahmen ergriffen werden, um jegliche diplomatische und finanzielle Hilfen für Israel zu kappen, Druck auf die dortige Regierung auszuüben und einen kulturellen und akademischen Boykott anzustreben. Die Aufklärung über die (deutsche) Kolonialgeschichte müsse in allen deutschen Lehrplänen verpflichtend sein, außerdem sollten Strafanzeigen gegen Studierende fallengelassen werden. Die anwesenden, mitunter palästinensischen, Besetzer*innen hätten sich „in Berlin noch nie so sicher“ gefühlt wie in ihrer Zeit der Besetzung im „Jabalia Institute“. Auf die Frage, ob weitere Protestaktionen an Unis geplant seien, heißt es: „Wir werden weiter kämpfen“.


Foto: Daphne Preston-Kendal

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