Der große Saal des SchauSpielHaus Hamburg verwandelte sich wieder in das dunkle Kellerloch mit Kochniesche, in dem sich Erna, Grete und Mariedl versammeln, um über Gott und die Welt herzuziehen. Sie haben zu allem eine Meinung und regieren ihre Behausung mit Nachdruck – sie sind “Die Präsidentinnen”. 

Das Stück von Werner Schwab ist ein Fäkaliendrama. Entsprechend rau geht es auch zu. Während in der Stuttgarter Inszenierung von Amélie Niermeyer die drei Frauen in einem eleganten Wohnzimmer sitzen, triefen Kostüm und Bühnenbild in Hamburg nur so von Schmutz, Dreck und vor allem Schimpfwörtern. Handgreiflichkeiten gehören mit dazu und führen zur Verwüstung des ohnehin schon zugemüllten Bühnenbilds, neben dem eine Marienstatue funkelt. Liebe zu Dackeln und Männern gehören zum festen Repertoir des Textes ebenso dazu wie die Themen des Haushalts und der Berufe. Fernseher- und Rattengeräusche sorgen für eine Geräuschkulisse, die vehement ihre eigenen Szenen unterbricht. 

Teils in Träumerei versunken, teils mit der bitteren Realität konfrontiert, kippt die Stimmung bis in die Gewalttätigkeit hinein. Mariedl wird in der Badewanne erwürgt, ihr Kopf zum Fußball der Müllabfuhr und die Wange von Erna im Streit mit Grete auf die glühende Herdplatte gedrückt. Die Inszenierung legt Wert auf das Ausstülpen der Charaktere. Die Mittel dazu erzeugen Schock und in ihrer Überspitzung Komik. Ihre Figuren bleiben aktuell – nur der Preis im Gegensatz zum Filterkaffee ungewiss.

Zwischen Kunst und Geschmacklosigkeit

Ähnlich dem Leitspruch: Alles für den Dackel, erlangen die Lebensrealitäten der drei Frauen nur Ausdruck in der Überhöhung dessen, was sie täglich beschäftigt. Was als Komödie gedacht ist, balanciert jedoch auf dem schmalen Grad zwischen Kunst und Geschmacklosigkeit – gerade in der Textfassung Werner Schwabs. Was als Einsicht in den Abgrund der Kleinbürgerinnen intendiert ist, provoziert gerade in großen Theaterhäusern die Frage: Wer lacht hier über wen?

Der aus den alltäglichen Gesprächen ausgeklammerte Abort feiert sein Come-Back durch Mariedls selbsternannter Berufung,diese zu reinigen und sexuell-erotische Phantasien darin auszuspielen. Überhaupt ist das Thema Sex unheimlich präsent: nichts wird tabuiersiert, denn es kann überhaupt nichts geben, das nicht auf die Bühne gebracht werden kann. So das Konzept. 

Im Grunde liefert das Stück im Schnelldurchlauf einen Querschnitt dessen, was als wichtig erscheinen mag. Farbfernseher, Nächstenliebe und Dackel-Dressur. Aus dem Saal heraus blickt man auf die kleine Box, in der all das vor sich läuft. Ein Effekt, der nochmals verstärkt wurde, seit das Stück vom deutlich kleineren Malersaal in Hamburg auf die große Bühne gewechselt ist. 

Der Besuch des Wottila, Fleischermeister und Geliebter von Erna, löst Lachen im Publikum aus. Er hat Blumen und ein Kilo Gulaschfleisch dabei. Sorgsam wird dieses Fleisch ausgepackt und eine Lobeshymne auf die ausgewählten Präsente angestimmt. Denn schließlich, so Erna, hat das Gulaschfleisch einen Sinn. Und romantisch sei es obendrein.


Fotos: © Thomas Aurin