In der letzten StuPa-Sitzung, UnAuf berichtete, wurde heiß über ein Deutschlandfahnen-Verbot beim Public Viewing an der HU diskutiert. Nun wurde das ganze Projekt wenig überraschend aus Raum- und Personalmangel eingestampft, aber das Thema wirkt nach: Sollten wir 2024 – während des Aufstiegs der AfD – noch mit Fahnen herumlaufen? Was für eine Bedeutung hat gerade die deutsche Fahne, wo kommt sie her und was haben Studierende damit zu tun?

Drei Farben mit komplizierter Backstory

Schwarz-Rot-Gold. Diese drei Farben zieren seit 75 Jahren die Flagge der Bundesrepublik Deutschland und doch sieht man sie im Alltag nicht allzu häufig. Anders als etwa  in den USA ist nicht jedes zweite Haus mit einer Nationalflagge geschmückt. Doch alle zwei Jahre dreht sich dieses Bild komplett. Schwarz-Rot-Gold hängt nun plötzlich von Balkonen, wird an Autos befestigt oder in Form von Schminke, Hüten oder Halsketten getragen. Der geneigte Leser weiß nun sofort, was die Stunde geschlagen hat: Es ist Fußballzeit. Wenn alle zwei Jahre die Fußballnationalmannschaft zu einem großen Turnier aufläuft und die Fans (mal mehr, mal weniger) mit ihrem Spiel begeistert, holen die Deutschen alles, was die Farben ihrer Nation trägt, aus dem Schrank und tragen sie stolz in aller Öffentlichkeit beim Public-Viewing. Vergessen scheint die lange und schwierige Geschichte, um diese drei Farben, die einige sogar dazu bringen, sie ganz in ihren Lokalen zu verbieten.

Doch fangen wir ganz von vorne an. Die Farben Schwarz, Rot und Gold werden schon seit über 200 Jahren mit der Deutschen Nationalbewegung in Verbindung gebracht. „Seit den Burschenschaften und der frühen Nationalbewegung des 19. Jahrhunderts werden die Farben Schwarz, Rot und Gold genutzt. Die Farben waren ein Appell für die Deutsche Einheit, spielten aber auch bei der Demokratiebewegung des 19. Jahrhunderts eine wesentliche Rolle.“ So Franka Maubach – sie vertritt den Lehrstuhl für Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert an der HU. Es waren also studentische Burschenschaften, die die Schwarz-Rot-Goldene Flagge populär machten. 1919 wurde sie dann schließlich zur Flagge der Weimarer Republik: Der ersten deutschen Demokratie. Nach 1945 bedienten sich beide deutsche Staaten der Farben; die DDR fügte ihr einen Hammer, Zirkel und Ährenkranz als kommunistische Symbole für das Zusammenwirken von “Arbeitsklasse, Bauern und Intelligenz” bei.

Wir haben also gesehen, dass die Deutschlandfahne sowohl für die deutsche Einheit als auch für Demokratie stehen kann. Warum wird sie heute von vielen als rechtes Symbol gedeutet? Franka Maubach sieht den Grund dafür in der Entwicklung der letzten Jahre: „In Zeiten des aktuellen Rechtspopulismus von Seiten der AfD oder Pegida haben diese Gruppierungen versucht die Deutschlandflagge in ihre nationalistische Bewegung zu integrieren und damit auch zu instrumentalisieren.“ Der Versuch einer Vereinnahmung der Deutschlandflagge durch rechte Kreise ist also eindeutig vorhanden. Dabei reicht schon ein Blick auf den AfD-Chef Tino Chrupalla. Dieser trägt stets einen Pin der Flagge am Sakko und versucht sie damit zu einem Symbol der AfD zu machen. Wie aber soll man mit diesem Versuch der Vereinnahmung von Seiten der Rechten umgehen? Sollten wir versuchen, die Farben selbst zu besetzen, oder sie lieber ganz aussperren?

Fußball gucken – so ganz ohne schwarz-rot-goldene Brille?

Für das Aussperren und somit für ein generelles Fahnen-Verbot beim Public Viewing hat sich die gemütliche Kiezkneipe BAIZ im Prenzlauer Berg entschieden. Tatsächlich sind hier aber jegliche Fahnen und “Kriegsbemalungen” verboten – nicht nur die Schwarz-Rot-Goldene-Blumenkette. Obwohl sich auf der Website  klar gegen eine Vereinnahmung irgendeiner Szene gestellt wird, kann man die “Kultur- und Schankwirtschaft” als eher links verorten – so finden regelmäßige kostenlose Mieterberatungen statt und es wird großen Wert auf die Inklusion und Freiheit jedes Gastes gelegt. Matthias, der langjährige Leiter, hat sich bereit erklärt uns zu erzählen, warum sich das BAIZ trotz dieser Freiheits-Deklaration für das Fahnen-Verbot entschieden hat. Dafür zunächst ein kleiner historischer Abriss: 1990 wurde die damalige WM ähnlich wie heute auf dem Alexanderplatz übertragen. Anders als heute gewann Deutschland allerdings mit einem historischen 1:0 den Titel. In einer Art übermütigen Siegestaumel begaben sich danach Gruppen mit stolz gehissten Flaggen – schwarz-rot-gold und schwarz-rot-weiß gingen da fließend ineinander über, in Richtung Prenzlauer Berg. Die alternativen Haus- und Kiezprojekte wurden glücklicherweise früh informiert und konnten sich schützen – nur der “Club 29” gegenüber des Babylons musste mit ein paar Fensterscheiben weniger auskommen. Über die deutschlandweiten Ausschreitungen berichtete unter anderem die taz. Nach diesem Schreck wurde nach anderen Formaten für den gemeinsamen Fußball-Abend gesucht und eine der ersten Umsetzungen fand sich im Bandito Rosso, einer Szene-Kneipe, die immer noch in der Lottumstraße 10A anzutreffen ist. Wer trotzdem einen Dresscode wollte, konnte in den damals sehr gebräuchlichen Farben des Schiedsgerichts zusehen.

Heutzutage versucht das BAIZ diese Tradition weiterzutragen. Schließlich sei es überall möglich, mit Flaggen und National-Gesängen Fußball zu feiern, hier im BAIZ könne man einen “entspannten” Ort finden, um der Fußballlust zu frönen. Obwohl das BAIZ-Team durchaus nicht humorlos ist: (Hoffentlich ironische) Nordkorea-Fans seien schonmal durchgewunken worden. Prinzipiell sei aber jegliche Form von Nationalismus unerwünscht – nicht nur der deutsche. So würden beispielsweise alle Nationalhymnen heruntergedreht.

Resümee einer deutschen Debatte

Die Geschichte des BAIZ zeigt, welch durchaus valide Gründe es geben kann, einen Ort außerhalb des National-Mainstreams bereitzustellen – gerade für all diejenigen, die bereits unter dieser Flagge Gewalt von rechts erlebt haben und nach einem sicheren Ort suchen. Allerdings sollte nicht aus den Augen verloren werden, dass die deutsche Fahne eben auch einmal für eine neue Freiheit und die erste deutsche Demokratie gestanden hat. Ob also ein Flaggen-Bann im universitären Kontext sinnvoll wäre, bleibt abzuwägen. Ein Gesprächsangebot und generell mehr Aufklärung und Transparenz wären ein Schritt in die richtige Richtung. So bleiben die deutschen Farben auch weiterhin umkämpft.


Foto: BAIZ Berlin

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