Die Ausstellung Sport. Masse. Macht.” im Haus des Deutschen Sports beleuchtet auf informative und innovative Weise die Geschichte des Fußballs im Nationalsozialismus.

Das Olympiastadion in Berlin war nicht nur der Austragungsort des Finals der diesjährigen Fußball-Europameisterschaft der Männer, sondern steht auch für das finsterste Kapitel der globalen Sportgeschichte. Die Olympischen Spiele 1936 in Berlin wurden vom NS-Regime zu Propagandazwecken instrumentalisiert, um die angebliche Überlegenheit des Deutschen Reichs zu demonstrieren. Von der Rolle des Fußballs in der Zeit des Nationalsozialismus handelt die Ausstellung Sport. Masse. Macht.”, die noch bis zum 31. Juli im Haus des Deutschen Sports im Berliner Olympiapark zu sehen ist.

Die Ausstellung beleuchtet, unterteilt in fünf Kapitel, verschiedene Aspekte des Fußballs im Nationalsozialismus. Jedes der Kapitel bietet anhand historischer, sowie historiographischer Foto-, Audio-, Video- und Textdokumente spannende und überraschende Facetten, die einen Einblick in den Fußball der damaligen Zeit geben.

Ausstellungen, die die Zeit des Nationalsozialismus thematisieren, tappen oft in die Falle, durch die Dokumentation der Geschehnisse die Propaganda des Regimes zu reproduzieren. In Sport. Masse. Macht.” gelingt es den Kuratorinnen Yvonne Zindel und Veronika Springmann diesen Fehler zu vermeiden, indem sie beispielsweise, anstatt Ausschnitte aus dem Propagandafilm Das Große Spiel” (1942) zu zeigen, Fotos der Dreharbeiten ausstellen und somit die Inszenierung hinter dem Film offenlegen. Auch die fünf Pokale, die jeweils einem Kapitel der Ausstellung zugeordnet sind, sind keine Originale, sondern 3D-Drucke, so dass sie von den Besucher*innen angefasst und erfühlt werden können.

Verbotene Vereine, hörige Funktionäre

Eine Auswahl von elf Trikots erinnert stellvertretend an jüdische, im Arbeitersport organisierte und katholische Fußballvereine, die ab 1933 vom Regime verboten und zerschlagen wurden. Die jüdischen Vereine bilden dahingehend eine Ausnahme, dass sie, um angesichts des internationalen Drucks die Ausrichtung der Olympischen Spiele 1936 nicht zu gefährden, vorerst in eigenen Verbänden und Ligen weiterspielen durften, ehe sie 1938 nach der Reichspogromnacht endgültig verboten wurden.

Die Ausstellung beleuchtet auch die Rolle des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), der ab der Machtübergabe an die Nationalsozialisten der Regierung treu ergeben war. So erfahren Besucher*innen, dass viele Fußballvereine ihre jüdischen Mitglieder nicht erst auf rechtliche Anordnung, sondern bereits im April 1933, aus vorauseilendem Gehorsam ausgeschlossen haben und sich schon vor der offiziellen Gleichschaltung zum NS-Regime bekannten. 

Fußball als Selbstbehauptung

Fußball in Konzentrationslagern ist ein Thema, das in der Öffentlichkeit bisher kaum Beachtung findet und auch unter Historiker*innen wenig diskutiert wird. Neben Sport” in Form von Turnübungen über die Erschöpfungsgrenze hinaus, zur Folter der Häftlinge, spielten diese, sofern die Wärter es zuließen, Fußball. Im KZ Sachsenhausen organisierten Häftlinge eine eigene kleine Meisterschaft, wobei der Fußball nicht nur Zeitvertreib im Lageralltag, sondern auch einen Akt der Selbstbehauptung angesichts der brutalen Haftbedingungen darstellte. In einer Videoaufnahme schildert der polnische Buchenwald-Überlebende Władysław Kożdoń von einem Fußballspiel zwischen einer polnischen Mannschaft und einer Roma-Auswahl. Die Roma-Mannschaft gewann mit drei zu eins. Kurze Zeit später wurden sie nach Auschwitz deportiert, wo sie dem Pojramos (dem Völkermord an den europischen Roma in der Zeit des Nationalsozialismus) zum Opfer fielen.

Die Biographien fünf verfolgter Sportler*innen, darunter des jüdischen deutschen Nationalspielers Julius Hirsch, der in Auschwitz-Birkenau ermordet wurde und des Schwarzen Fußballers Heinz Kerz, der zwangssterilisiert wurde und im KZ Dachau Zwangsarbeit verrichten musste, stehen exemplarisch für die Opfer des Nationalsozialismus.

Menschenfeindliche Kontinuitäten und ehrenamtliches Engagement

Wie in fast allen Bereichen der Gesellschaft, gab es nach Kriegsende auch im Sport eine Elitenkontinuität, die es NS-Funktionären in beiden deutschen Staaten erlaubte, hochrangige Positionen, beispielsweise als Trainer oder Vereinspräsident, zu bekleiden. Bis heute werden Fußballspiele regelmäßig durch rassistische und antisemitische Ausschreitungen von Fans überschattet, was die Ausstellung anhand von Fotodokumenten genauso darstellt, wie die ehrenamtliche Antidiskriminierungsarbeit zahlreicher Fanclubs, denen es in den vergangenen Jahren vermehrt gelang, Vereine dazu zu zwingen, sich der eigenen Historie zu stellen und diese aufzuarbeiten.

Das kuratorische Konzept der Ausstellung, verschiedene Facetten des Fußballs im Nationalsozialismus darzustellen und dabei die Opfer in den Mittelpunkt zu stellen, macht einen Besuch von Sport. Masse. Macht.” auch für ein weniger fußball-affines Publikum attraktiv.

Die Ausstellung Sport.Masse.Macht.” ist noch bis zum Ende des Monats im Haus des Deutsches Sports zu sehen.


Foto: Martin Mühl