…Warum wir uns mit links” und rechts” nicht zufrieden geben sollten: Unsere Autorin ist frustriert. In politischen Diskussionen mit ihren Kommiliton*innen drängt sich der Eindruck auf, dass nicht auf Inhalte, sondern in erster Linie auf eine vermeintliche politische Ausrichtung geachtet wird.

Letztens quatscht mich auf einer Party ein Typ an: „Hey, ich hab gehört, du bist super links. Ich hoffe, du hasst mich jetzt nicht, weil … ich bin ja eher rechts”. Er grinst mich an, „…also wirtschaftlich”, fügt er hinzu. Ich schaue ihn ungläubig an. Mal abgesehen davon, dass ich es tatsächlich ziemlich irritierend finde, sich so vorzustellen, frage ich mich schon, woran es liegt, dass Hass seine erwartete Reaktion ist. Hasse ich ihn, weil er sagt, er befinde sich auf einem imaginären Spektrum in relativer Positionsangabe woanders als ich? Oder hasse ich ihn, weil das für ihn wohl automatisch bedeutet, er habe andere Meinungen als ich? Nein.

Die Einteilung in Rechts und Links, zurückgeführt auf die räumliche Platzierung der Gruppen in der französischen Nationalversammlung von 1789, soll wohl umfassend genug politische Meinungen beschreiben, um die Eigene allein damit vollumfänglich darzustellen. Darauf scheint sich die Mehrheit der Gesellschaft zumindest geeinigt zu haben, wie man an abendlichen Fernsehtalkshows oder aufgeheizten Social-Media-Debatten verfolgen kann. 

Ich bin „links”, du bist „rechts” – ja und jetzt? Was genau bedeutet das denn eigentlich für mich, was bedeutet das für dich?

Wo in der Mensa unter Jurastudenten Antifaschismus pauschal unter linksradikaler Gefährdung subsumiert wird, während er in der UnaufRedaktion Teil des demokratischen Selbstverständnisses zu sein scheint, sind „links” und „rechts” dann offenbar doch sehr subjektive Zuordnungen. Mein „Rechts” ist eben nicht dein „Rechts” und politisch gilt das nicht nur, wenn wir uns gegenüber, sondern auch wenn wir nebeneinander stehen.

Natürlich fällt dieses Problem immer wieder auf. Manchmal wird dann versucht, die Begriffe – wenig konsequent – durch konservativ und progressiv, elitär und egalitär, oder liberal und restriktiv zu ersetzen.
„Liberal”, das sind die Linken, die wollen Ehe für alle, Freiheit bei der Auswahl des eigenen Geschlechts und legalen Cannabiskonsum.
Aber „liberal”, war das nicht auch irgendwie rechts? Die Rechten sind es doch, die den Linken Verbotspolitik vorwerfen. Sie wollen die Freiheit das N-Wort zu benutzen, nach Belieben Nitrat in den Boden zu kippen und (grundsätzlich) Wirtschaftsliberalität; also zum Beispiel Steuerfreiheit für Unternehmen und Freiheit im Handel. 

Achso ja – außer es geht um den freien Handel mit Drogen, das ist natürlich links. Es sei denn die Droge ist Bier, das ist dann wieder rechts, denn wie wir alle wissen, bedeutet „konservativ sein” automatisch „rechts sein” und Alkohol war ja „schon immer” Volksdroge.
Augenscheinlich haben sich für verschiedenste Aspekte Positionen herauskristallisiert, die wir aus Gewohnheit leicht einer oder eben der anderen politischen Richtung zuordnen können.
Wenn sich aber „rechte” Parteien wie die AFD gerne als Interessenvertreter ,des kleinen Mannes’ darstellen und letztendlich eine wirtschaftsliberale Agenda verfolgen, schleicht sich das Gefühl ein, dass sich die meisten Ideen sowohl als „links”, als auch als „rechts” framen lassen.

Vielleicht auch symptomatisch für die Grenzen einer solch eindimensionalen Politik ist die Entstehung des ,Bündnis Sarah Wagenknecht‘. Namensgeberin ist eine ehemalige Politikerin der Partei ,Die Linke‘. Jetzt will sie Wähler*innen jener Partei erreichen, die wohl gemeinhin als ,ganz weit rechts‘ beschrieben wird. Im Wahlkampf nähert man sich ihnen momentan am liebsten auf TikTok. Eine App, deren Mutterkonzern Verbindungen zu einem Land hat, das zumindest dem Namen nach kommunistisch und damit ja eigentlich ganz links außen ist.
Aber klar, wenn man ohnehin vorrangig populistische Narrative zum Stimmgewinn nutzt, kommt es bestimmt sehr gelegen, seine politischen Agenda auf TikTok mit einem simplen „echte Männer sind rechts“ (O-Ton Maximiliah Krah) untermauern zu wollen. 

Dabei kann doch auch ein und dieselbe Person zu verschiedenen Themen verschiedene Meinungen haben, die unterschiedlich in der rechts-links-Skala verortet werden. Denn wo Hafermilchtrinker Lederjacken rocken, gibt es keinen zwingenden Grund dafür, dass Abtreibungsgegner immer auch ausländerfeindlich sein müssen.
Natürlich macht die Enteilung in Rechts und Links vieles leichter. Aber wenn es schon so reduziert sein muss, wie wäre es, wenn wir uns erstmal auf die Grundsätze von Demokratie und Menschenwürde einigen könnten. 

Ein „Hi, ich bin Demokrat“ wäre als Gesprächseinstieg vielleicht auch entspannter gewesen.


Foto: Emma Charlotte