Mikrofon, dicker Eyeliner und extravagante Hochsteckfrisur. Seit dem 11. April gewährt das zuvor schon kontrovers diskutierte Amy Winehouse-Biopic „Back to Black“ von Sam Taylor-Johnson einen Einblick in die Erfolge und Niederlagen der Jazzikone. 

Mit dezentem Makeup, mittellangem Haar und einem Schmunzeln auf den Lippen schwärmt die 18-jährige Amy zusammen mit ihrer Oma Cynthia von früheren Jazz Legenden. Amy träumt selbst von der großen Bühne: Also schreibt sie erste eigene Songs in ihrem Kinderzimmer im Londoner Stadtteil Camden bis sich das Label Island Records bei ihr meldet und sie unter Vertrag nimmt. Unter der Prämisse „Ich bin nicht euer nächstes Spice Girl“, tritt sie in Londoner Jazzclubs auf und versucht ihre Karrierevorstellungen durch aufmüpfiges Auftreten und ohne Kompromisse durchzusetzen. An einem Abend im Pub lernt sie den selbstgefälligen Draufgänger Blake kennen. Aus einem Billardabend wird schnell eine turbulente Liebesbeziehung. Blake ist kokainabhängig, Amy raucht regelmäßig Cannabis – ihr gemeinsamer Nenner ist erst der Alkohol und später auch härtere Drogen. Mit wachsendem Erfolg und Beliebtheit durch Songs wie „Valerie“, „Tears Dry On Their Own“ und „Rehab“ stürzt sich auch die Boulevardpresse auf Amys Leben, insbesondere ihre Beziehung. Papparazzi belagern ihre Londoner Wohnung und verfolgen sie auf offener Straße, bis sie aus der Bedrängnis heraus die Kontrolle verliert und einen Fotografen schlägt. Zu allem Übel erkrankt ihre engste Bezugsperson, ihre „Stilikone“ und Oma, Cynthia, an Krebs. Amy will einen Strich ziehen: Sie beginnt, ihre Haare als aufwändige Hochsteckfrisur, wie man sie aus den 60er kennt, zu tragen, schminkt ihren Eyeliner dicker und bedeckt ihre Haut mit immer mehr Tattoos. Auf der Bühne ist sie mit hohen Absatzschuhen oder Barfuß unterwegs. Ihr Look spiegelt ihr überfrachtetes, wildes und zersetzendes Leben, das Sam Taylor-Johnson in dem Bio-Pic versucht, einzufangen wider. Dazu gehören auch Amys legendärer Grammy-Sieg von 2008 oder ihre Spontanhochzeit mit Blake in Amerika, aber eben auch Blakes Verhaftung wegen Körperverletzung direkt vor Amys Wohnungstür, die beim Zuschauen in all ihrer Dramatik zu spüren ist. 

Respektvolle Würdigung oder unnötiges Nachtreten?

Amys äußerst selbstbestimmtes Auftreten hat sie nicht davor bewahrt zum Spielball ihres Künstlerinnendaseins zu werden und an den Umständen kaputtzugehen. Von einer Romantisierung ihres Drogenkonsums oder ihrer physischen und mentalen Kontrollverluste kann jedoch nicht gesprochen werden. Dennoch ist die Kritik einiger Fans, die Hauptdarstellerin, Marisa Abela, sei eine weichgezeichnete Version von Amy, nicht ganz unbegründet. Tatsächlich lässt das etwas glattere und kleinere Gesicht der Schauspielerin sie etwas jünger und harmonischer wirken als die richtige Amy. Dass die gesamte Verkörperung der Sängerin darunter leidet, ist jedoch etwas zu weit ausgeholt. 

Das Bio-Pic erzählt die Wirrungen von Amys Leben, ohne einen alleinverantwortlichen Sündenbock zu benennen. Es wird klar, welch verehrender Druck auf der Sängerin lag. Die Presse, mit ihren Papparazzi und Schlagzeilen, die Label, mit ihren Erfolgserwartungen, ihre von Drogen geprägte Beziehung zu Blake. Amys Vater, Mitch Winehouse, kommt über den Film zugegebenermaßen gut weg, was wohl auch daran liegt, dass die Familie Winehouse (inklusive ihm) ein Mitspracherecht bei der Produktion des Films hatte. Einem sollte jedoch die Szene nicht entgangen sein, in der Mitch Amys Label versichert, dass sie keine Rehabilitation nötig habe, um ihr damals schon auffälliges Suchtproblem in den Griff zu bekommen. Er nahm eine gewisse Vormundschaft für sie ein, wobei ihm Amys Erfolg mehr am Herzen lag als ihre körperliche und mentale Verfassung. In dem Bio-Pic wird ihr auch keine unsympathische Art oder alberne Männerobsession angedichtet, wie es in einigen Kritiken heißt. Ihre Verbissenheit in der Beziehung mit Blake war eher Resultat ihrer emotionalen Instabilität und Drogenabhängigkeit und beruhte nicht auf alberner Naivität.

Der Film zeigt aber auch besonders schöne Momente, in denen die lebensfrohe Art der Jazzsängerin zum Vorschein kommt. Amy ging in den Klängen des Jazz auf und beschäftigte sich viel mit Musik. Auch andere Richtungen wie Gospel und die Girl-group The Shangri-Las waren Inspirationsquellen für sie. Eine solche war auch Amys Oma Cynthia, die durch ihre emotionale Stütze ein Fels in der Brandung ihres chaotischen Lebens war. 

Mit der richtigen Distanz, wegen des Einflusses der Familie Winehouse, und ohne einen Anspruch an eine lückenlose Aufklärung über das Leben von Amy ist der Film sehr sehenswert. Er verklärt Amy Winehouse eben nicht als Märtyrerin des live-fast-die-young-Lebensstils. Einem läuft es vielmehr kalt den Rücken hinunter, als am Ende des Films die Todesnachricht der Sängerin als Zweizeiler erscheint und den Zuschauer die bittere Folge ihres Daseinskampfs spüren lässt. Er erzählt auf bewegende, explizite und teils auch amüsante Art ihre Lebensgeschichte und verdient allein für den Mut von Marisa Abela, die verstorbene Jazz-Legende zu porträtieren, eine gebührende Würdigung. 


Foto: Dean Rogers / Focus Features / StudioCanal